Internationale Fachtagung "Arenen der Elitenvergesellschaftung. Ostmitteleuropa im 19. Jahrhundert"
Die Geschichte Ostmitteleuropas wird vielfach an einer normativ verstandenen Geschichte der westeuropäischen Modernisierung gemessen, was dazu führt, daß Ostmitteleuropa als Region des Mangels und der Defizite konstruiert wird. In besonderem Maße ist dies der Fall für die Frage nach Elitenvergesellschaftung und Elitenwandel im 19. Jahrhundert, da in Ostmitteleuropa im Zeitalter der bürgerlichen Gesellschaft das Bürgertum (weitgehend) zu fehlen scheint.
Dieser defizitären Perspektive liegt zugrunde, daß nach wie vor mit tradierten Großkategorien wie Adel und Bürgertum operiert wird und Eliten als präformierte Personenverbände untersucht werden. So wird ein die historische Komplexität verkürzender Gegensatz zwischen einem (modernen) Bürgertum und einem (traditionellen) Adel (re-)produziert.
Dagegen zielt unsere Fragestellung primär auf Elitenvergesellschaftung ab und nicht auf die nach tradierten Kategorien bestimmte soziale Zusammensetzung ihrer Personenverbände. In diesem Sinne erscheinen handlungsorientierte und dekonstruktivistische Ansätze hilfreich, die Eliten nicht als präformierte soziale Gruppen postulieren, sondern als Ergebnis von Aushandlungs- und Deutungsprozessen. Sowohl die Regeln der Machtverteilung und -anerkennung als auch die Orte, an denen diese gelten, werden immer wieder neu auf- bzw. hergestellt. Begreift man Konkurrenz und Kompromisse zwischen etablierten und neu aufsteigenden Akteurinnen und Akteuren als einen Aushandlungs- und Konstruktionsprozess, so stellt sich die Frage der Elitenzugehörigkeit als Frage nach der Definition und Verteilung von materiellem und symbolischem Kapital und schließlich als eine Frage des Zugangs zu Macht. Was Elite in welchem Kontext bedeutete, wer wann und wie zu welcher Elite gehörte, wird so erst zum Gegenstand der Untersuchung.
Die geplante internationale Fachtagung zielt darauf ab, unter Anwendung von unterschiedlichen methodischen Ansätzen Zugänge zur Geschichte des Elitenwandels in Ostmitteleuropa zu entwickeln, die normativ geprägte Interpretationen des Wandels im 19. Jahrhundert sowie simplifizierende Ost-West-Entgegensetzungen vermeiden.
Weiterführend sollen nunmehr aber nicht Orte, sondern vielmehr Praktiken in den Blick genommen werden, die im Zuge der funktionalen Differenzierungen und des sozialen Wandels des 19. Jahrhunderts sowohl Eliten als auch die Arenen, an denen sie dazu wurden, (neu) konstituierten. Die Untersuchung der unterschiedlichen Felder oder funktionalen Bereiche zielt nicht primär auf Institutionen ab, sondern mehr auf das Zusammenspiel von kontextualisierten Wahrnehmungs-, Deutungs- und Handlungsweisen.
Untersucht werden sollen:
das Staatlich-administrative (und nicht: die Behörden),
das Kommunale,
das Militärische (und nicht: das Militär),
das Wissenschaftliche (und nicht: die Universität ),
das Politische
das Unternehmerische
die Wohltätigkeit/das Soziale
das Literarische und Künstlerische
das Mäzenatentum/die Kulturförderung
die öffentliche Kommunikation/das Mediale
als Arenen der Elitenvergesellschaftung.
Bei Interesse an der Tagung senden Sie bitte bis 28.2.2005 ein Exposé (max. zwei Seiten) an das GWZO.
Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.